Claudia Hauser trainiert in der Karate-Schule die japanische Kampftechnik

Quirliges Gedränge vor der Tür. Weißkittel unterhalb der Brusthöhe wollen nicht länger warten. Im „Tempelraum“ (Dojo) bereitet sich der Sensei auf das Training vor: Haben die Kinder erst alle in dem Übungsraum ihren Platz gefunden, übertragen sich Ruhe und Konzentration des Karate-Meisters auch auf sie. Verbeugungen und Meditation gehören zum Ritual eines Karatekämpfers. Die zwölfjährige Claudia Hauser mag diesen Ablauf. Sie will sich in Ruhe auf die Übungen vorbereiten, die sie noch viel Schweiß kosten werden. Seit sechs Jahren trainiert die Gymnasiastin in der Karate-Schule in der Cherisy-Kaserne. Gemeinsam mit einer Freundin hat sie als Grundschülerin angefangen, weil deren Mutter bereits im Karate-Fitness-Dojo war. Beide Mädchen sind bis heute diesem Sport treu geblieben. Eine weitere Freundin wechselte vom Ballett zu ihnen ins Karate.

Claudia trägt inzwischen den ersten violetten Gürtel. „Die Pflanze wächst zum Himmel. Sie wird langsam stark“, bedeutet diese Farbe in der Sprache der Karetaks. Sie kann fortgeschrittene Partnerübungen ausführen, sagt ihr Trainer Markus Rues. Claudia ist ein bisschen stolz auf diese Leistung. Sie hat dieses Ziel erreicht, obwohl sie sich eher als durchschnittliche Kämpferin sieht. Bei Wettbewerben will sie nicht antreten, zum Training schafft sie es meist nur einmal in der Woche. Doch diese Stunde tut ihr gut, die Schülerin taucht dann in eine andere Welt ein, konzentriert sich ganz auf ihren Körper. Musik während der Übungsstunden würde sie ablehnen, sie liebt den klassischen Karate-Unterricht wie sie ihn bei Hanskarl Rotzinger und Markus Rues geboten bekommt. Die Kinder sprechen nicht miteinander. Erst nach dem Training in der Kabine geht das Geschnatter los: „Da ist es immer recht lustig“, sagt Claudia. Die Mädchen erzählen sich, was ihnen an diesem Tag zugestoßen ist.

Bei ihren Klassenkameraden ist Claudia wegen ihrer Karate-Schläge nicht gerade gefürchtet, „leider“, fügt sie hinzu. Das Selbstbewusstsein wird jedoch durch das Training gestärkt. Ihr Trainer Markus Rues warnt vor übertriebenen Erwartungen, die manche Frauen mit Selbstverteidigungskursen verbinden. „Selbstverteidigung fängt im Kopf an“, sagt er. Die Kinder in der Karate-Schule lernen, einem imaginären Gegner Stand zu halten, einem Angreifer nicht auszuweichen. In der Praxis rät Markus Rues natürlich keiner Zwölfjährigen, einem Erwachsenen den Unterarm umdrehen zu wollen. Selbstverteidigung muss früher beginnen: Wenn ein Nebensitzer anfängt, unerwünschterweise die Hand auf ihre Schulter zu legen, um dann immer näher zu rücken. Oder bei der Auswahl des Nachhauseweges: Sie sollen beleuchtete Straßenseiten wählen, im Notfall alle Klingeln an Türeingängen drücken oder mit einem Stein eine Scheibe einwerfen. So könnten sich Frauen Hilfe holen. Mit Karate hat das auf den ersten Blick wenig zu tun. Doch schult das Training eben, das Aushalten eines gegnerischen Angriffs. „Das kommt in unserer Gesellschaft ja nicht so häufig vor“, sagt der Karatetrainer.

In der Karate-Schule in der Cherisy-Kaserne sind derzeit rund 300 Teilnehmer eingeschrieben, die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. „Wir brauchen uns um unseren Nachwuchs keine Sorgen machen“, freut sich Hanskarl Rotzinger, der 1958 den Karatesport nach Konstanz brachte und deutschlandweit zu den Pionieren dieser Kampfsportart zählt. Bei den Kindern achten die Trainer darauf, dass sie ohne Körperkontakt die Schläge ausführen. Claudia hat sich in all den Jahren nie verletzt. Ein Junge habe mal Nasenbluten gehabt, erinnert sie sich. Für Markus Rues, der im Nationalkader gekämpft hat, sind selbst die Verletzungen der Leistungssportler „banal“, verglichen mit den Blessuren von Fußballern und Radsportlern. Karatekas riskieren mal eine aufplatzte Lippe, im Höchstfall einen Rippenbruch. (iko)

Kinder können im Alter von sieben oder acht Jahren mit dem Karatetraining beginnen. Benötigt wird ein Kampfanzug.